„Die Verheißung“

Ortung V, Schwabach, Germany 2007

Carlotta Brunetti ist eine Meisterin der Reduktion. Sie beherrscht die Kunst der einfachen wie sinnlichen Symbolsprache. Die Laubhütte, die aus einem größeren und zwei sehr kleinen Räumen besteht, scheint „ihr“ Ort zu sein. Dabei hat sie sich erst allmählich von ihm erobern lassen - zunächst hatte sie vor, sich ausschließlich im Außenbereich der Schwabacher Altstadt zu verorten. Doch die Laubhütte bot ihr „intellektuellen Widerhall“, wie sie sagt, und das hat sie gereizt.

Der Laubhüttenraum hat für Carlotta Brunetti außerordentliche Bedeutung, ein „geheiligter Raum“. Ein Ort „zum Feiern, zum Leben und um die eigene Identität zu pflegen. Ich denke, der Ort ist eine Verheißung. Er war einmal freudig bestimmt und voller Hoffnung...“ Ein „besetzter“ Ort. Einer, der verpflichtet.

Schon den Vorraum zur eigentlichen Laubhütte durchzieht verheißungsvoll der satte Duft frischen Heus – es riecht nach Freiheit! Dann betritt man den mittleren Raum. Zwölf zwei Meter hohe Schilfbündel stehen aufrecht und im selben Abstand zueinander im Kreis. In ihrer Mitte liegt eine ebenfalls kreisrunde, blattvergoldete Scheibe. Von dort aus geht es nach rechts und links in zwei winzige Kämmerchen. Das eine voller Blatt-Gold, das Fenster drahtverhängt; das andere fast ganz gefüllt vom gleichen großmaschigen und golden schimmernden, wabenförmigen Drahtgitter, spiralig aufgerollt auf einer langen Spur aus Salz. Schlicht und schön. Carlotta Brunetti erzählt von Moses und den zwölf Stämmen Israels; vom Auszug aus Ägypten, vom Neuanfang. Vom Kreis, der Form ohne Anfang und Ende; von der Abstraktion („Gott ist abstrakt“) und vom Gold, das immer für Absolutes stand und steht („Kultgegenstände sind fast immer vergoldet“). Von einem besonderen Volk, das unachtsam mit Füßen getreten wurde (Blatt-Gold-Laub), sich aus seiner Gefangenschaft befreit und auf den Weg macht – ein unendliches Unterfangen (Spiralgitter), das sowohl Leben verheißt als auch Tod mit sich bringt (Salzspur). Religiös sei sie nicht, sagt sie. Der Ort hat sie einfach inspiriert. Erst nach und nach haben sich die Räume für sie mit Inhalt gefüllt.
Das Schilf hat sie selbst mit einer Machete geschlagen, tagelang; dann trocknen lassen und gebündelt. Eine ziemliche Mühe. Aber eine kleine Mühe im Vergleich zu vierzig Jahren Wanderschaft aus Ägypten.

Die Schwabacher Laubhütte wurde im Frühjahr 2001 bei Renovierungsarbeiten entdeckt. Sie weist einschlägige Wandmalereien und die typische variable Dachöffnung auf und ist eine von drei erhaltenen Laubhütten Bayerns.

© Annette Edler 2007

Station 18, Laubhütte, Synagogengasse 10